Was für ein Fahrgefühl – die neue S-Bahn in Bewegung!
In Wildenrath absolvieren die neuen Fahrzeuge umfangreiche Tests und Messungen
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Leise und sanft gefedert surrt der rot-gelbe Zug dahin, an den großen Fenstern ziehen Wald, Windräder und ein Teich mit Enten vorbei. Es ist die neue S-Bahn für Berlin, die in dieser idyllischen Landschaft ihre Testrunden dreht. Geographisch noch weit entfernt vom späteren Einsatzort, dem Berliner Ring, in ihrer Entwicklung aber einen gewaltigen Schritt weiter – denn sie fährt jetzt!
Um diesen Meilenstein zu feiern, hatten die S-Bahn und das Herstellerkonsortium Stadler/Siemens Mobility die Presse ins nordrheinwestfälische Wegberg-Wildenrath zum gemeinsamen Probefahren eingeladen. Und so viel sei schon mal verraten: Das Fahrgefühl ist äußerst angenehm, so wie man es von brandneuen Fahzeugen erwarten darf. Kein Ruckeln und keine Vibrationen sind zu spüren, auch nicht bei 80 Stundenkilometern. Heftiges Bremsen und Kurvenfahrten rufen kein Quietschen hervor, überhaupt ist die neue S-Bahn eine von der ruhigeren Sorte.
Auf Herz und Nieren geprüft
Seit vergangenen Herbst testen die Experten im Prüf- und Validationcenter (PCW) von Siemens Mobility die ersten fünf Fahrzeuge der Baureihe 483/484 hier ausgiebig und nehmen die Feinjustierung vor. „Bisher sind wir sehr zufrieden, es gab keine bösen Überraschungen“, berichtet Siemens-Mobility-Abteilungsleiter Gerald Winzer.
Wie liegen die drei Halb- und zwei Viertelzüge in der Kurve? Beschleunigt die S-Bahn wie gewünscht und wie laut ist sie dabei? Wie lang ist der Bremsweg bei welcher Geschwindigkeit? Wie wirken sich verschiedene Wetterlagen auf das Fahr- und Bremsverhalten aus? Diese und viele weitere Fragen, Tests und Messungen stehen auf dem Programm. Um das Fahrverhalten eines vollbesetzten Zuges zur Hauptverkehrszeit zu simulieren, werden die neuen Züge dann zum Beispiel mit Sandsäcken bestückt. Schließlich werden die Züge später auch eher selten leer durch Berlin fahren.
Geprüft wird natürlich auch die Funktion und Wechselwirkung der Stromabnehmer mit der Stromschiene Berliner Bauart. Das Fahrzeug muss auch Lücken in der Stromschiene fehlerfrei erkennen können und sein elektrisches Bordnetz innerhalb solcher Trennstellen aufrechterhalten
Zusammenspiel der Technik
Viele unterschiedliche technische Komponenten werden in den Zügen zusammenspielen. Die Tester haben eine nach der anderen zugeschaltet und dann geprüft, ob die Systeme sich miteinander vertragen und funktionieren. Etwa ob sich die Türen nur dann öffnen lassen, wenn das möglich sein soll. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Halb- und Viertelzüge werden ausprobiert, hier geht es ebenfalls um das reibungslose Zusammenspiel.
Inzwischen sind die Entwickler auch schon dabei die Software für die Fahrgastinformationen direkt in den Fahrzeugen zu testen. Damit die Fahrgäste später auf den Anzeigen die nächsten Bahnhöfe sehen können, muss der Zug mit der Strecke abgleichen, wo genau er sich befindet und diese Information dann auf die Bildschirme bringen.
Siegbert Spatz, stellvertretender Projektleiter bei Siemens Mobility, erklärt das Prinzip der Entwicklertests: „Die Entwickler, die die nötige Software dafür am Computer programmieren, kommen selbst her und schauen am Zug, ob und wie das Programm funktioniert. Bei diesem „Spielen“ mit dem Fahrzeug erhalten die Entwickler ein besseres Gefühl dafür.“
Vorbereitung für die Zulassung
Bisher absolvierten die Fahrzeuge rund 2.000 der insgesamt geplanten circa 160.000 Testkilometer. Nach Abschluss der Entwicklertests können voraussichtlich im Herbst 2019 die Nachweisfahrten und Fahrtechnik-Typtests auf speziellen Gleisabschnitten des Berliner Netzes beginnen. Auch das Testprogramm zum Berliner Fahrsperrensystem (mechanisches System zum Auslösen von Zwangsbremsungen bei unzulässigen Vorbeifahrten an haltzeigenden Signalen) und zum neuen digitalen Zugbeeinflussungssystem, das für die Zulassung erforderlich ist, kann dann gestartet werden.
Parallel zu diesen Nachweisfahrten einzelner Fahrzeuge im Berliner Netz werden die S-Bahnzüge weiterhin im PCW ihre Runden drehen, um die Nachweise aller spezifizierten Funktionen und Anforderungen zu erbringen, die für die Zulassung notwendig sind.
Wenn die Züge dann zugelassen sind, werden die neuen Fahrzeuge ab 2021 auf dem Berliner Teilnetz Ring/Südost eingesetzt. Für die Wartung wird das Werk Grünau zuständig sein, das extra für die neue S-Bahn angepasst wird, beispielsweise wird noch eine Waschanlage gebaut. Alle Beteiligten sind zuversichtlich, dass der Termin gehalten wird. Die Berliner, die das neue rot-gelbe Fahrgefühl kennenlernen möchten, sollten sich also den 1. Januar 2021 freihalten – dann startet auf der S47 der fahrplanmäßige Betrieb der neuen Züge.