Eine Cola-Dose zum Verlieben
Die Baureihe 485 hatte ihren planmäßig letzten Einsatztag - und zum Abschied kamen sie alle. Ein Vorortbericht.
Wer am 12. November auf den Strecken der S-Bahn-Linien S8 und S47 unterwegs war, konnte fast den Eindruck gewinnen, die Menschen an den Bahnsteigen warteten auf eine Berühmtheit. Häufig standen sie in kleinen Trauben zusammen, jede*r mit einer Kamera in der Hand, manche waren gar mit Stativen angerückt.
Die meistfotografierte Cola-Dose des Tages
Sie alle hatten es auf eine ganz bestimmte Baureihe (BR) abgesehen. Denn der 12. November war der planmäßig letzte Einsatztag der BR 485 der S-Bahn Berlin: Zum Abschied sollte die „Cola-Dose“ noch ein letztes Mal auf ihre langjährigen Stammlinien zurückkehren. Bei mehreren Sternfahrten und zwei Ringfahrten hatten S-Bahn-Fans die Chance, ein paar ganz besondere Erinnerungsfotos zu schießen.
Reisen wir also zurück zu besagtem Tag, der in die Annalen der Berliner S-Bahngeschichte eingehen wird: Max Berger ist zusammen mit seinen Freunden Dominik Löschner, Daniel Riedelt und Uwe Schulz besonders früh angereist.Seit 7.30 Uhr am Morgen ist die Truppe aus Dessau, Magdeburg und Leipzig schon unterwegs. Ihr Ziel: Die BR 485 auf möglichst vielen Fotos und Videos festzuhalten – und natürlich noch mal mitzufahren.
Der frühe Vogel fängt die S-Bahn
„Wir haben einen Zeitplan gemacht, wann wir für welches Motiv wo sein wollen“, erzählt Max Berger. Kurz nach 11 Uhr, als am Bahnhof Schöneweide gerade das zweite „Rendezvous“ der Züge stattgefunden hat, ziegt sich der 25-Jährige mit seiner Ausbeute ganz zufrieden. „Wir haben schon alte Formsignale in Neukölln fotografiert und die BR 485 im Plänterwald, mit dem Fernsehturm im Hintergrund.“
Sie alle seien Eisenbahnfans, erzählen die vier Männer. Max Berger ist selbst Triebfahrzeugführer, Dominik Löschner Auszubildender im dritten Lehrjahr. „Die Faszination ist also schon immer da“, sagt der 22-Jährige. „Wir waren schon häufiger zusammen unterwegs, um besondere Züge zu fotografieren, zum Beispiel im Werratal in Thüringen oder im Harz“, ergänzt Max Berger. Die „Cola-Dose“ sei für ihn wegen ihrer Geschichte so interessant. „Weil sie noch zu DDR-Zeiten produziert wurde und zeigt, dass nicht alles aus dem Osten schlecht ist.“ Mit den Fotos gestaltet der 25-Jährige Kalender und veröffentlicht sie in sozialen Netzwerken.
Das hat auch Hans-Georg Büttner mit seinen Schnappschüssen vor. Der Dresdner ist seit 8 Uhr in Berlin unterwegs, um die BR 485 zu verabschieden. „Ich finde das nicht nur spannend, weil es sich um die letzte Baureihe aus DDR-Zeiten handelt, sondern ich mag auch das Fahrgefühl“, sagt er. So richtig beschreiben könne man das gar nicht, man müsse es selbst erlebt haben. „Aber zum Beispiel im Sommer, wenn die Fenster offen waren, das hatte irgendwie was.“
S-Bahnen und S-Bahnfans sind nicht aus Zucker
Hans-Georg Büttner will an diesem Tag auch die letzte Tour über den Ring mitmachen. „Eisenbahn, das ist einfach mein Hobby“, erzählt er. „Und ich wollte der BR 485 gerne die letzte Ehre erweisen.“ Davon konnte ihn und all die anderen Fans am Sonntag auch der immer mal wieder einsetzende Regen nicht abhalten.
Geschäftsführer S-Bahn Berlin
Zum Team der Triebfahrzeugführer:innen der S-Bahn Berlin, die die „Cola-Dose“ noch einmal steuern durften, haben Kathrin Mannke und Gabriele Franke gehört. „Im Vergleich zu der Bahn, auf der ich gelernt habe, war das seinerzeit schon ein großer Fortschritt“, erinnert sich Kathrin Mannke die seit 1992 als Triebfahrzeugführerin arbeitet. „Der Arbeitsplatz war breiter und es gab mehr Komfort.“
Mit der letzten Fahrt der BR 485, die zu DDR-Zeiten übrigens BR 270 hieß, darf sich nun die BR 480 älteste aktive Baureihe der S-Bahn-Flotte schimpfen. Mit der BR 480, der BR 481 und der neuesten S-Bahn-Generation der Baureihe 483/484 verkehren bei der S-Bahn Berlin von nun an also nur noch drei Baureihen regulär.
Fans und Interessierte können die Baureihe dann lediglich noch als Museumsstück bestaunen. Die S-Bahn Berlin hat zum Beispiel auch einen Triebwagen an das Deutsche Technikmuseum gespendet, als Teil der Ausstellung zur Verkehrsgeschichte. Und im Verein Historische S-Bahn kann nicht nur Triebwagen 485 168 aus der Serienproduktion bestaunt werden, sondern auch der Musterzug 270 001.